Zum Inhalt springen

Sportengagement von Jugendlichen außerhalb von Schule und Verein

Das Sportengagement Jugendlicher kann als ein vielfach und vor allem facettenreich untersuchtes Forschungsgebiet bezeichnet werden. Abhängig von der jeweiligen Konzeptualisierung wird Jugendsport als Sozialisationskontext, Entwicklungsressource oder gar als Lebensgefühl verstanden (vgl. Bindel, 2013). Im Forschungsinteresse stehen bis dato vor allem die Settings Schule und Verein, was nicht zuletzt mit der Fokussierung auf die Wirksamkeit des Sporttreibens zu erklären ist. Die Annahme, dass Jugendliche Ressourcen innerhalb eines gezielten und angeleiteten Sportangebots durch Erwachsene gewinnen und entwickeln können, richtet zwangsläufig den Blick auf diese beiden Settings (vgl. Kurz & Tietjens, 2000).

Obgleich Sporttreiben im Jugendalter häufig positiv konnotiert ist, erreicht der Sport nicht alle Jugendlichen gleichermaßen und über die Phase des Aufwachsens hinweg. Das Fluktuationsverhalten der Heranwachsenden im Sportverein kann als Indikator für eine Abwendung vom Vereinssport, möglicherweise aber auch als Absage an die Sportart oder die Akteure (Trainer und Athleten) interpretiert werden (Gerlach & Brettschneider, 2013). Eine Abkehr vom Vereinssport ist jedoch nicht zwangsläufig mit einer Bewegungsinaktivität gleichzusetzen. Hinsichtlich der Freizeitgestaltung wird beispielsweise dem informellen Sportengagement von Jugendlichen eine hohe Bedeutung beigemessen (Bindel et al., 2010). Informelle Sportpraktiken können als Sport von Jugendlichen verstanden werden, in denen entwicklungsfördernde Interaktionen und Aushandlungsprozesse zwischen den Heranwachsenden ablaufen.

Um die Besonderheiten des informellen Sportengagements herauszuarbeiten und nicht länger auf Basis von Negativfolien das Forschungsfeld beschreiben zu müssen, entwarfen Bindel et al. (2010) ein Modell, das die Jugendlichen mit ihren sportiven Handlungen in den Mittelpunkt rückt. Der identitätsstiftende Kern des informellen Sportengagements ist in der Symbiose der drei Handlungsrollen (Sport organisieren, Sport vermitteln und Sport treiben) zu sehen. Im Unterschied zum Schul- oder Vereinssport sind die Jugendlichen demzufolge selbst für ihr Sporttreiben verantwortlich. Aus sportpädagogischer Sicht rücken insbesondere die Frage nach informellen Lernprozessen sowie die soziale Regulierung in informellen Sportgruppen in den Fokus. Aufgrund der symbiotischen Handlungsstruktur wird der informelle Sport zu den sogenannten Lernwelten gezählt, d.h. Bildungsprozesse finden hier implizit statt. Eine Charakterisierung kann mittels der drei Dimensionen Orte, Methoden und Inhalte vorgenommen werden (Rauschenbach et al., 2006). Die zweite Perspektive fokussiert die soziale Regulierung innerhalb der Sportgruppen. Bindel (2008) konnte in seiner ethnografischen Studie eine Rollenasymmetrie (Etablierte und Außenseiter) nachzeichnen, die bedeutsam für die Gestaltung der sportlichen Aktivitäten ist und gleichzeitig die (Sport-)Räume hochexklusiv erscheinen lässt (Bindel, 2017). Sportliches Können ist ein relevantes Zugangskriterium, das sich aber durch soziale Integration kompensieren lässt, d.h. „die richtigen Leute zu kennen“ (Bindel et al., 2010, S. 258) ist entscheidend.

Literaturverzeichnis

Bindel, T. (2017). Informeller Jugendsport – institutionelle Inanspruchnahme und Wandel eines deutungsoffenen Geschehens. Diskurs Kindheits- und Jugendforschung 12(4), 417-426.

Bindel, T. (2013). „Richtiger“ Sport (?) – Ergebnisse einer qualitativen Längsschnittstudie zum jugendlichen Sportengagement. Zeitschrift für sportpädagogische Forschung 1(1), 79-98.

Bindel, T., Balz, E. & Frohn, J. (2010). Zur symbiotischen Handlungsstruktur informellen Sportengagements. Sportwissenschaft, 40(4). 254-261.

Gerlach, E. & Brettschneider, W.-D. (2013). Aufwachsen mit Sport. Aachen: Meyer & Meyer.

Kurz, D. & Tietjens, M. (2000). Das Sport- und Vereinsengagement der Jugendlichen – Ergebnisse einer repräsentativen Studie in Brandenburg und Nordrhein-Westfalen. Sportwissenschaft, 30(4), 384-407.

Rauschenbach, T., Düx, W. & Sass, E. (Hrsg.) (2006). Informelles Lernen im Jugendalter. Vernachlässigte Dimensionen einer Bildungsdebatte. Weinheim und München: Juventa.

Kommentar verfassen

%d Bloggern gefällt das: