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Von der Digitalallergie zur Digitalkompetenz

Drei Wochen vor dem Start der Vorlesungszeit stehen Lehrende vor einer großen, noch nie dagewesenen Herausforderung – das gesamte Lehrangebot des Sommersemesters soll ohne Präsenzlehre erfolgen und muss durch entsprechende Angebote der Online-Lehre kompensiert werden. Dies trifft einzelne Fächer (z.B. die Sportwissenschaft) besonders hart, denn das Sammeln eigener Körper- und Bewegungserfahrungen lässt sich nur in begrenztem Maße abbilden.

Von Lehrenden wird neben der inhaltlichen Planung und didaktischen Gestaltung ihrer Lehrveranstaltungen ein technisches Verständnis (IT-Kompetenz) gefordert, mithilfe dessen sie in kürzester Zeit synchrone und asynchrone Lehr-Lernformate entwickeln und durchführen sollen.

Schon seit geraumer Zeit gibt es die Forderung nach einem Schulfach Digitalkompetenz, in dem beispielsweise die Gestaltung, Nutzung und Bewertung von News thematisiert wird. Die Kinder und Jugendlichen setzen sich intensiv mit den Bereichen Medienkritik, -kunde, -nutzung und -gestaltung auseinander. Diese Überlegungen werden teilweise auf die Hochschulen ausgeweitet und Veranstaltungen zum Thema Mindset (Handeln, Umsetzen, Verändern, Gestalten und Unternehmen) gefordert. In beiden Fällen richtet sich der Fokus ausschließlich auf die jeweilige Zielgruppe. Unklar bleibt, wer diese Lehr-Lernformate überhaupt anbieten kann und wie diese durchgeführt werden sollen. In diesem Zusammenhang ist häufig von der Digitalallergie der Lehrenden zu lesen. Es gibt sicherlich zahlreiche Gründe für solch eine Haltung. In meiner Arbeit sind mir insbesondere diese beiden Aussagen begegnet: „Nur Präsenzlernen ist echtes Lernen“ und „das habe ich schon immer so gemacht“. Trotz dieser ernüchternden Statements bin ich der Überzeugung, dass für viele Lehrende das Problem in der Unklarheit der eigenen Rolle (Verschiebung vom Wissensvermittler zum Lernbegleiter und Moderator) und der Unsicherheit bezüglich der Arbeit mit digitalen Medien („IT-Kompetenz“) liegt. Die kritischen Stimmen wurden in der Vergangenheit leider zu selten gehört, so dass die meisten einen Kaltstart hinlegen müssen – einige Lehrende gar eine Transformation von der Digitalallergie zur Digitalkompetenz.

Im Allgemeinen kann Digitalkompetenz sowohl als Fähigkeit einzelner Personen aber auch als Fähigkeit einer ganzen Organisation verstanden werden, d.h. alle Akteure des Hochschulwesens sind hier gefordert. Lehrende können nur in einem abgesteckten Raum agieren, die notwendige Ausstattung mit Hard- und Software, der Einsatz von Online-Plattformen sowie Fragen zur Einhaltung der Datenschutzbestimmungen müssen zentral und universitätsweit geklärt sein. Auf personeller Ebene müssen einige Lehrende vermutlich ihre Haltung ändern und sich gegenüber Veränderungsprozessen öffnen. Die Wandlungsgeschwindigkeit ist so hoch, dass wir uns künftig immer wieder auf neue Situationen einstellen müssen. Neue Tools führen zwangsläufig zu neuen Prozessen und digitale Technologien bieten neue Wege der Zusammenarbeit, die letztlich Einfluss auf die Kultur des Miteinanders haben. Lehrende sollten dies nicht nur von ihren Lernenden fordern, sondern auch mit Kolleg*innen umsetzen. Kollaboratives Arbeiten, Austausch und Vernetzung inner- und außerhalb der Hochschule, das Teilen von Materialien und Erfahrungen ist wichtiger denn je. An dieser Stelle möchte ich gerne auf zwei ungemein hilfreiche und umfangreiche Seiten verweisen:

Sonderseite Corona und (Hochschul-)Bildung https://hochschulforumdigitalisierung.de/de/hochschulen-und-corona-was-jetzt

Hochschulbildung und Corona – Was wir jetzt tun und was noch geht

https://www.e-teaching.org/community/communityevents/onlinepodium/digitale-hochschullehre-und-corona-was-jetzt-wir-tun-koennen

Mit Blick auf die Durchführung der ersten Veranstaltungen in der Online-Lehre möchte ich noch einmal den Blick schärfen. Lehrende hatten zwar wenig Zeit, um sich auf diese Situation einzustellen, die Lernenden hatten aber überhaupt keine Zeit bzw. wussten nicht, was auf sie zukommt. Demzufolge sollte bei der Einführung in die Lehrveranstaltung eine Schulung hinsichtlich des Umgangs mit digitalen Medien erfolgen. In der Regel haben die Lernenden ein gutes, intuitives technisches Grundverständnis und sind neugierig, neue Tools und Apps auszuprobieren. Für den Erfolg der Lehrveranstaltungen müssen Lehrende und Lernende zusammenarbeiten und sich aktiv einbringen. Kurskorrekturen, spontane Änderungen des Seminarplans, Vorschläge der Lernenden sollten ernst genommen werden.

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