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Online, offline oder doch blended?

Halbzeit des Sommersemesters und die Kritik an digitalen Lehr-Lernformaten an Hochschulen wächst.

In den vergangenen zwei Wochen haben sich zwei Lager gebildet: Auf der einen Seite Vertreter der Präsenzlehre und ihrer traditionellen Veranstaltungsformate, auf der anderen Seite Befürworter einer digitalen Lehre mit innovativen und kollaborativen Bildungsangeboten. Für einen kurzen und prägnanten Überblick empfehle ich den offenen Brief zur Verteidigung der Präsenzlehre (https://www.praesenzlehre.com/), der von knapp 5000 Lehrenden unterzeichnet wurde (Stand: 23.06.2020) sowie einen kritischen Blogbeitrag von Jan-Martin Wiadra mit dem Titel „Protest gegen ein Phantom“ (https://www.jmwiarda.de/2020/06/08/protest-gegen-ein-phantom/).

Sind online und offline bzw. digital und analog tatsächlich zwei Gegenpole, die in der aktuellen Bildungsdebatte so stark thematisiert werden müssen? Oder ist es vielmehr eine Reduktion persönlicher Erfahrungen und Überzeugungen, die solch eine mediale Aufbereitung in der aktuellen Corona-Pandemie bewirken? Viele Diskussionen empfinde ich als wenig zielführend, da unterschiedliche Elemente miteinander in Beziehung gesetzt werden, teilweise sogar verglichen, obgleich sie einen völlig anderen Fokus haben. Mit Blick auf interaktive und kollaborative Elemente werden zahlreiche Potentiale digitaler Bildungsangebote aktuell noch nicht vollständig erfasst. Insbesondere vor dem Hintergrund des individualisierten Lernens, verschiedenen Vermittlungs- und Aneignungswegen sowie der geforderten Kompetenzorientierung lohnt sich eine intensive Auseinandersetzung mit digitalen Technologien.

Blended-Learning – Synergien von Präsenz- und Online-Lehre

Es liegt mir fern, ein Patentrezept für gute Lehre anzupreisen. Vielmehr bedarf es einer differenzierten wie umfassenden Situations- bzw. Bedingungsfeldanalyse, um die Rahmenbedingungen für die Entwicklung von Lehr-Lernarrangements abzustecken. Als großer Verfechter des Constructive Alignment stehen für mich folgende drei Aspekte im Mittelpunkt: (1) Lernziele – Was sind die Studierenden nach dem Besuch der Veranstaltung in der Lage zu tun?, (2) Lehr- und Lernmethoden – Welche Lehr- und Lernmethoden führen zum Erreichen der angestrebten Lernziele? und (3) Prüfungsmethoden – Wie muss die Prüfungssituation gestaltet sein, damit die Erreichung der Lernziele beurteilt werden kann? In diesem Zusammenhang treffe ich auch die Entscheidung, welche Formate am besten hierzu passen. Häufig entstehen Blended-Learning-Szenarien, in denen ich bewährte Elemente des Präsenzunterrichts mit innovativen und individualisierten Lernarrangements der Digitalen Lehre verbinde.

Ausgehend von meinen bisherigen Lehrerfahrungen habe ich vier Stärken eines Blended-Learning-Formats zusammengestellt. Diese Auflistung ist sicherlich nicht umfassend, bietet jedoch verschiedene Denkanstöße bei der Entwicklung neuer Lehr-Lernformate. Grundsätzlich müssen Differenzierungen hinsichtlich des Bildungssettings (formal vs. non-formal), der Zielgruppe (Kinder/Jugendliche vs. Erwachsene) sowie den Qualifikationszielen vorgenommen werden.

Zeitliche und räumliche Flexibilisierung der Lehre: In der Regel geht damit auch eine Reduzierung der Präsenzzeiten einher. Lehrende erhalten mehr Freiheit bei der Konzeption innovativer Lehr-Lernformate und Zeit für die Entwicklung neuer Lerninhalte. Lernende können entsprechend ihrer Gewohnheiten (Lerntempo, Rhythmus, Lernmedium) Wissen abrufen und gedanklich durchdringen.

Clevere didaktische Verzahnung: Intelligente Verzahnung analoger und digitaler Lehr-Lernformate. Die Teilnehmer gestalten ihren Lernprozess von Beginn an aktiv mit und begegnen sich sowohl online als auch offline. Im Zusammenspiel aller Formate wird das Konzept inhaltlich und visuell sichtbar.

Optimale Auswahl der Formate: Die Auswahl des geeigneten Lehr-Lernformats hängt vom jeweiligen Lernziel im Sinne des Constructive Alignment ab. Bei aller Digitalisierung gibt es insbesondere im Sport Bereiche, in denen Präsenzveranstaltungen wichtig sind, z.B. um eigene Körper- und Bewegungserfahrungen zu sammeln.

Qualitätssteigerung durch den Einsatz multimedialer Inhalte: Der Einsatz digitaler Medien muss den aktuellen Bedarf decken und eine besondere Herausforderung beim Lehren und Lernen strategisch angehen. Auslagerung von Inhalten, die besonders komplex und zeitintensiv sind oder mithilfe digitaler Medien qualitativ hochwertiger und zielgerichteter vermittelt werden können, Inhalte müssen hierfür anders aufbereitet werden.

Ich plädiere für eine räumliche Entgrenzung und zeitliche Flexibilität der Hochschullehre. Bildungsprozesse müssen unter den Bedingungen veränderter Raum-Zeit-Konstellationen im Kontext technologischer Entwicklungen zukunftsoffen und aktiv gestaltet werden.

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