Seit einigen Jahren ist ein rasanter Wandel der Sportwelt durch Digitalisierung zu beobachten. Die vorhandenen digitalen Möglichkeiten beeinflussen die sozialen Interaktionen und folglich unsere Gesellschaft derart, dass neue Geschäftsmodelle entstehen. Die Auswirkungen sind auf verschiedenen Ebenen beobachtbar und sorgen für Veränderungen bei formalen, non-formalen und informell organisierten Sportaktivitäten. Insbesondere der selbstorganisierte Sport, der vom Vereinssport sowie kommerziellen Dienstleistern (z.B. Fitnessstudio) losgelöst ist, rückt in den Fokus der Sportindustrie. In Verbindung mit den Einschränkungen der Corona-Pandemie sowie dem immer stärker werdenden Wunsch nach Flexibilität und Individualität beim Sporttreiben, kommt es nicht nur zu evolutionären Innovationen, sondern es entstehen disruptive Innovationen (mehr hierzu in einem der folgenden Blogartikel).
Da immer mehr Sportanbieter auf den Markt drängen, nimmt die Vielfalt der Produkte zwangsläufig zu. Aktuelle Trends lassen sich meiner Meinung nach gut den folgenden drei Gruppen zuordnen: (1) Selftracking, (2) Peloton-Hype und (3) Augmented Reality sowie Virtual Reality-Gimmicks, die dazu beitragen, Mixed Reality Sport bekannter zu machen. In diesem Zusammenhang wird gerne der Begriff immersiv verwendet, d.h. die Sportler tauchen völlig in eine andere Welt ein, geben sich einer Sache bzw. Aktivität hin und fokussieren sich vollständig darauf.
Im Folgenden möchte ich meinen Blick auf die Konzepte der Gamification und Sportification richten. Während der Begriff Gamification vielen bekannt ist und im wissenschaftlichen Diskurs thematisiert wird, ist Sportification eine Wortschöpfung, die sich meiner Meinung nach erst noch bewähren muss. Da ich die Grundidee sehr spannend finde, greife ich den Begriff auf und bringe ihn mit meinen Gedanken zusammen. Ausgangspunkt meiner Überlegungen ist das Buch Quantensprung von Markos Aristides Kern.
Gamification versucht, eine Verhaltensänderung durch die Übertragung spielerischer Elemente auf andere Bereiche zu erzielen, d.h. Spielelemente werden in ein ursprünglich spielfremde Umfeld überführt. Durch die Fokussierung des Spieltriebs werden wir animiert, aktiv zu werden. Eine Umsetzung kann hier im sportiven Kontext geschehen, muss aber nicht. Gamification-Beispiele lassen sich daher in unterschiedlichen Alltagssituationen finden.
Der Sportification-Ansatz geht einen Schritt weiter. Durch spielerische Reize wird versucht eine Begeisterung zu erzeugen, mit der eine neue Sportart oder eine neue Bewegungsform ausprobiert wird. Zentrale Stellschrauben sind ein niederschwelliger Einstieg sowie einfache und schnell zu erlernende Spiele oder Aufgaben, die den traditionellen Sinnperspektiven und Motiven von sportlich Aktiven folgen. Kern (2021) spricht davon „Dinge [zu] versportlichen, um uns auch schwitzend und aktiv in der Digitalwelt zu bewegen“. Das liest sich gut, wie sieht aber die Umsetzung konkret aus? Sprechen wir tatsächlich von Sportarten oder eher von Bewegungsformen innerhalb der digitalen Welt, die durch den Aufbau einer Community und Live-Events, Elemente des Vergleichens und Messens mit anderen ermöglichen? Unabhängig von der inhaltlichen Einordnung und Bewertung steht fest, dass wir schnelle, sichere und verlässlich funktionierende technische Systeme benötigen, um ein attraktives und ganzheitliches Nutzererlebnis gewährleisten zu können. Aktuell zeigen sich verschiedene Spielweisen, die in den kommenden Monaten und Jahren sicherlich weiter entwickelt und ausdifferenziert werden. Neben Streaming, Video-Projektionen und AR/VR-Welten finden sich immer häufiger Playgrounds.
Ein Playground vereint Elemente der Gamification und der Sportification – der Spieltrieb wird genutzt und Menschen werden in Bewegung gebracht. Auf der didacta digital 2019 in Köln habe ich den interaktiven Playground Lü ausprobiert. Die Vielzahl an Bewegungsaufgaben, Challenges und kleinen Spielen hatte einen unglaublichen hohen Spaßfaktor. Mein persönlicher Ehrgeiz und der Versuch den Tagessieg zu erzielen, haben auch eine ordentliche Portion Bewegung mitgebracht.
Abschließend möchte ich festhalten, dass die Verbindung von Gamification und Sportification neue Potenziale und Möglichkeiten für Bewegung, Spiel und Sport in der digitalen Welt mit sich bringt. Es ist mehr als die reine Überführung von E-Games in reale Aktionen. Ob sich der Begriff der Sportification durchsetzen wird, wage ich derzeit noch zu bezweifeln. Ich finde es aber sinnvoll, charakteristische und immanente Elemente des Sportssystems sprachlich von anderen abzuheben.
Ein Bereich, in dem sicherlich Potential steckt und Denkweisen neue Richtungen vorgeben könnten. Ich bin gespannt, was kommt und wann der Begriff Mov(e)ification(?) in Konkurrenz dazu tritt.