Sport unterstützt einen gesunden Lebensstil und trägt präventiv zu einer gesunden Gesellschaft bei. Sport in einem weiten Verständnis umfasst vielfältige Bewegungs-, Spiel- und Sportformen, die von verschiedenen Alters- und Zielgruppen in unterschiedlichen Organisationsformen ausgeübt werden können. Über mehrere Bürgerbeteiligungsverfahren und Befragungen hinweg zeigt sich, dass ca. 75-90 % der Befragten, sportlich oder körperlich aktiv sind.
Ausgehend vom sozialen Wandel innerhalb der Sportlandschaft wird der Sportbegriff weiter ausdifferenziert und das Leistungsmotiv wird zunehmend abgelöst durch alternative Motive, wie z. B. Gesundheit oder Sinnsuche. Das veränderte Sportverhalten hat unmittelbar Auswirkungen auf die Inanspruchnahme von Sporträumen. Demzufolge rückt die Planung und Entwicklung neuer Sportraumangebote in den Mittelpunkt, die sich gezielt an den Bedürfnissen der Bevölkerung sowie der Sportnachfrage ausrichten.
Sport findet nicht länger nur im klassischen Sportraum statt, sondern verlagert sich stärker in öffentliche oder private Räume. Steinebach und Esper (2013) verstehen unter dem klassischen Sportraum, klar räumlich abgrenzbare Anlagen wie Sportplätze oder -hallen, die in verschiedene Größen- und Funktionskategorien untergliedert werden können. Demgegenüber stehen Ermöglichungsräume für Sport, die sich für das Treiben von Sport in irgendeiner Art und Weise eignen, d. h. städtischer Raum, Naturraum oder auch private Räume. Während der Schul- und Vereinssport häufig anlagengebunden durchgeführt wird, werden Ermöglichungsräume für sportliche Aktivitäten selbstorganisiert erschlossen.
Obgleich die Förderung von informeller Bewegung politisch oftmals nur als Nebenrolle angesehen wird, handelt es sich um eine Aufgabe der Kommune. Denn kommunale Sportförderung darf sich nicht ausschließlich Sportvereinen widmen, die Alleinnutzungsansprüche an normierte und monofunktional ausgerichtete Sportanlagen stellen. Kähler (2015) mahnt berechtigterweise an, dass ungestaltete Freiräume eine große Bedeutung haben und durch Raumstrukturen keine Einengung des Menschen erzeugt werden darf.
Bis in die 80er-Jahre ist die Anzahl klassischer Sportstätten massiv angestiegen. Infolge der Schrumpfung und Alterung der Gesellschaft (demografischer Wandel) und der Finanzkrise des öffentlichen Haushalts stehen derzeit insbesondere kleine oder mittelgroße Vereine, die eine eigene Infrastruktur mit Sportanlage vorhalten, vor einer existenziellen Bedrohung. Die exorbitant gestiegenen Nebenkosten bilden in Verbindung mit den spezifischen, monofunktional ausgerichteten Sportstätten, die immer weniger zum Sportengagement der Mitglieder*innen passen, eine toxische Mischung. Hinzu kommt der Wandel der Lebensstile und die Individualisierung der Gesellschaft. Die Ausdifferenzierung und Vervielfältigung der Lebensformen führt zu einer veränderten Nachfragesituation. Wopp (2012) beschreibt dies mit einem höheren Anspruch in der Freizeitgestaltung bei gleichzeitiger Flexibilität und erhöhter Mobilität – diese Entwicklungen sind aus anderen gesellschaftlichen Bereichen bekannt. Insgesamt ist zu konstatieren, dass spezielle und individuelle Angebote an Bedeutung gewinnen. Für Kommunen und Sportvereine ist es essenziell, neue Organisations- , Entwicklungs- und Betreibermodelle zu entwickeln, ansonsten droht ein Mismatch zwischen Sportraumangebot und Sportraumnachfrage.
Die unterschiedlichen Perspektiven der Stakeholder (z. B. Kommune, Organisierter Sport, Hochschule) lassen sich im Rahmen der kommunalen Sportentwicklungsplanung miteinander verbinden. Die Deutsche Vereinigung für Sportwissenschaft (2018) schlägt in ihrem Memorandum zur kommunalen Sportentwicklungsplanung folgende Begriffsbestimmung vor:
„Eine Sportentwicklungsplanung ist ein zielgerichtetes, systematisches und praxisorientiertes Planungsverfahren, das auf die komplexen Herausforderungen im Sport mit einem Gesamtkonzept antwortet“ (dvs, 2018, S.3). Sportentwicklungsplanung ist folglich mehr als eine Fachplanung, sie soll als integraler Bestandteil der Stadtentwicklung und der kommunalen Gesundheitsförderung verstanden werden.
In der folgenden Abbildung ist ein Modell zur kommunalen Sportentwicklungsplanung skizziert, das sich aus vier Phasen zusammensetzt: (1) Bestandsaufnahme, (2) Bedarfsbestimmung, (3) Zielbestimmung und Maßnahmenentwicklung sowie (4) Umsetzung und Evaluation. Die vier Phasen werden detailliert im dvs-Memorandum beschrieben.
Ich möchte an dieser Stelle auf die letzte Phase der Sportentwicklungsplanung hinweisen – die Evaluation. Diese ist ziel- und zweckorientiert angelegt und charakterisiert durch ihre Kontroll- und Dialogfunktion, d. h. die in Phase drei formulierten Maßnahmen, Ziele und Prozesse werden kritisch überprüft.
Literaturverzeichnis
Deutsche Vereinigung für Sportwissenschaft (dvs, 2018). Memorandum zur kommunalen Sportentwicklungsplanung (2., überarbeitete Fassung mit dem Fokus auf Sporträume). Zugriff am 02. März 2023 unter https://www.sportwissenschaft.de/fileadmin/pdf/download/2018_Memorandum-2- SEP_web.pdf
Kähler, R. (2015). Städtische Freiräume für Sport, Spiel und Bewegung: 8. Jahrestagung der dvs-Kommission „Sport und Raum“ vom 29.-30. September 2014 in Mannheim. Hamburg: Feldhaus, Edition Czwalina.
Wopp, C. (2012). Orientierungshilfe zur kommunalen Sportentwicklungsplanung. Zukunftsorientierte Sportstättenentwicklung (Bd. 16). Frankfurt a. M.: Landessportbund Hessen.
Steinebach, G. & Esper, L. (2013). Gesunde Kommune – Sport und Bewegung als Faktoren der Stadt- und Raumentwicklung. In M. Junkernheinrich & K. Ziegler (Hrsg.), Räume im Wandel (S. 167 – 191). Wiesbaden: Springer Fachmedien.
Pingback: Neue gesellschaftliche Lagerung der Jugendphase – Jugendliches Sportengagement in Zeiten beschleunigter Modernisierung